"Aufgeklärte" Erziehung im 18. Jahrhundert? (Melisa und Lisa)
Das 18. Jahrhundert gilt als die Epoche des Aufbruchs und der Aufklärung. Immer mehr Bürger haben ihr Schicksal
selbst in die Hand genommen. Es entstand ein selbstbewusstes Bürgertum, was es
so zuvor noch nie gab. Das Ständesystem wurde sukzessive ersetzt durch ein Schichtsystem
und die Schicht der gebildeten Bürger breitete sich immer weiter aus.
Bedeutende Figuren wie Goethe, Schiller und Lessing, prägten diese Zeit. Es gab
von nun an nicht mehr „nur“ die Religion, sondern durch die „neuen“ Medien, wie
zum Beispiel Zeitschriften, waren die Wissenschaften für alle zugänglich. Von
nun an ging es nicht mehr nur darum, in welchen Stand man hinein geboren wurde,
sondern man konnte sich durch individuelle Leistungen hocharbeiten. Die
bürgerlichen Literaturen entstanden, wo sich eine gemeinsame Sprache des
Gefühls entwickelte. Nicht mehr die adligen, sondern die Bürger spielten die
Hauptrollen. Der Gleichheitsgedanke rückte immer mehr in den Vordergrund. In
dieser Zeit veränderte sich aber auch die Denkweise über die Kinder.
In unserer heutigen
Gesellschaft, zumindest in den meisten Ländern, gibt es klare Regeln und Rechte
für Kinder. Seit 1989 gibt es die Kinderrechtskonvention. Es ist ein Zeichen
der Verantwortung gegenüber den Kindern Ihnen Achtung, Schutz und eine gute
Entwicklung zu gewährleisten. Die Kinder haben zum Beispiel ein Recht auf
Gleichheit, sodass kein Kind benachteiligt wird. Zudem darf keinem Kind Gewalt
zugefügt werden und auch von einem Kind ist die Würde unantastbar.
In der damaligen Zeit wurden Kinder
anders angesehen als die Kinder in unserer heutigen Gesellschaft. Vor dem 18.
Jahrhundert wurden die Kinder als kleine Erwachsene betrachtet. Dies lag bei
weiten Teilen der Bevölkerung auch daran, dass die Menschen von der Landwirtschaft
abhingen und die Kinder somit schon früh ihre Eltern beim Arbeiten unterstützen
mussten. Normalerweise würde man jetzt die Hypothese aufstellen, dass in der
„aufgeklärten“ Erziehung die Eltern den Kindern, eine eher kinderfreundliche
Erziehung boten, in der sie schon die eigene Vernunft, Toleranz und das eigene
Denken entwickeln konnten. Dies ist aber nicht ganz Fall. Ab dem 18. Jahrhundert
wurden die Kinder als „ungeformte Masse“ betrachtet. Die Erziehung galt als „unerbittlich“ streng. Dabei hat es
keine Rolle gespielt, ob man als einfacher Bürger oder als Adliger geboren
wurde. Die Kinder wurden nun so geformt, bis sie den Ansprüchen der Eltern
gerecht wurden. Zudem war Disziplin das wichtigste.
Einer der wesentlichen Punkte, der
sich in dieser Zeit jedoch stark veränderte, war die Sicht auf die Bestrafung
der Kinder. Wenn es nach J.G Krüger ging, sollten Kinder niemals wegen Fehlern
geschlagen werden, die ausversehen mal passieren, wie zum Beispiel, wenn sie
etwas versehentlich beschädigt haben, oder wenn sie nach einem Sturz weinen.
Aber andererseits wäre es wiederum in Ordnung, wenn die Kinder etwas aus
Bosheit getan hätten. Es wäre wie eine vom Kind gegebene Kriegserklärung an den
Erziehungsberechtigten. Somit müsste man Gewalt mit Gewalt bekämpfen und
vertreiben.
Wenn man nun an heutige Bestrafungen
denkt, würde einem wahrscheinlich ein Handy-Verbot oder eine Kürzung des
Taschengeldes einfallen. In manchen Fällen, gäbe es noch sowas wie Hausarrest,
aber dies nie über einen längeren Zeitraum. Damals hat man ganz andere
Bestrafungen genutzt, um den Kindern Gehorsamkeit einzubläuen. Man wollte aber
die körperliche Gewalt hinter sich lassen. Zum Beispiel in einer damaligen Erziehungsanstalt
aus 1776, die nach den Grundsätzen der Philanthropie (Menschenliebe) handelte,
sollte die körperliche Gewalt, nicht mehr geduldet werden. Dies führten sie
ein, nachdem sie durch Erfahrungen bemerkten, dass die Schläge nicht die
Bosheit heraustrieben. Sie benutzten die Gewalt nur noch, wenn man Gewalt an
dem Nächsten ausübte. Eine von nun an beliebte Strafe war die Erniedrigung oder
die immer noch bekannte Geldbuße des Taschengeldes. Unter den Erniedrigungsstrafen, wie „Karrenfahren“ verstand man zum
Beispiel, dass das Kind stundenlang mit einer Schubkarre auf und abfahren müsste
oder „Die Schildwache“ wobei das
Kind sich ein Schild, mit seiner begangenen Sünde um den Hals hängen musste, und
damit mehrere Stunden herumlief. Eine der härtesten Strafe war es aber von der
Gesellschaft, über einen gewissen Zeitraum, ausgeschlossen zu werden. Dies
nannte man den „Bann“.
Elisa von der Recke berichtete um
1760 über eine ihrer Strafen aus dieser Zeit. Sie sollte von ihrer Großmutter
mit einer Rute geschlagen werden. Als sie sich daraufhin eine Nacht versteckte
und ihre Großmutter sie am nächsten Morgen entdeckte, bekam sie schmerzvolle
Schläge und auch noch einen Zettel um ihre Zobelmütze herumgebunden, auf dem
ihre begangene Sünde geschrieben stand. Sie musste sich wie bei einem Pranger
an einer ausgewählten Stelle hinstellen und alle Gäste, die eintraten, sahen
die „Sünderin“. Diese Strafe erinnert an die oben genannten
„Erniedrigungsstrafen“. Bei Anna Amalie, der Herzogin von Weimar, war die
Erziehung ähnlich streng. Wie oben bereits genannt, spielte es keine Rolle für
die Erziehung, in welchem Stand man geboren worden ist. Sie berichtete 1745 darüber,
dass sie als „Ausschuss der Natur“
bezeichnet worden ist und ihr jegliche Liebe von ihren Eltern fehlte. Von ihr
wird das Vorgehen der Vormünder als Unterdrückung beschrieben, die sie oft zur
Verzweiflung brachte. Mit viel Geduld ließ sie sich schlagen und beschimpfen. Lichtenberg
schrieb auch in einem seiner Sudelbücher darüber, dass man erst erforschen
müsse, wie und ob es schädlich ist so viel an einem Kind herum zu „polieren“.
Er befürchtet, wenn die Vormünder ihren Einfluss weiter so ausnutzen würden,
dass sich keine gute Entwicklung der Kinder abzeichnen wird. Dies würde auch
bei Anna Amalie zutreffen, die darüber berichtete, wie sehr sie in ihrer
Entwicklung eingeschränkt wurde.
Denkt man an das 18. Jahrhundert und hört den
Begriff „aufgeklärte Erziehung“, hätte jeder wahrscheinlich an etwas Anderes
gedacht als das, was er hier gerade gelesen hat. Das 18. Jahrhundert, welches
so viele Fortschritte in der Entwicklung gemacht hat, ist leider bei den
Kindern noch weit von dem entfernt, was sich in der heutigen Moderne abspielt.
Die körperliche Gewalt, versuchte man zwar immer weniger anzuwenden, doch darf
man nicht die psychische Gewalt, die dort betrieben worden ist, außer Acht
lassen. In der Aufklärung wird die ganze Zeit davon gesprochen, dass sich die
Menschen frei machen sollten von ihren Vormündern, aber wie sollte das ein
kleines Kind alleine schaffen? Von der Umsetzung der Leitidee der Aufklärung,
blieben die Kinder zu dieser Zeit noch ausgeschlossen, beziehungsweise wurden
nicht als vollwertige Menschen einbezogen.
Somit
kann man die Situation im 18. Jahrhundert noch nicht als gelungene aufgeklärte
Erziehung beurteilen aber als ersten Schritt in die Moderne anerkennen.
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