Hygienevorstellungen im 18. Jahrhundert – Kann man hier wirklich von Hygiene sprechen? (Duygu und Carla)
Egal ob wir
uns in Klärwerken, an Mülldeponien oder auch einfach nur in U-Bahnen befinden,
Menschen aus dem 21. Jahrhundert sind sich einig darüber, dass Gerüche nach
längerem Zeitraum, wie auch nur für wenige Sekunden, ziemlich unangenehm und
auch unerträglich sein können. Das regelmäßige Wechseln unserer Kleidung und
das ebenfalls regelmäßige Waschen unseres Körpers sind fester Bestandteil
unseres Alltags oder unserer wöchentlichen Routine. Heutzutage würde ein Leben
ohne diese Hygiene für viele von uns schon bedeuten, dass wir schlechte
Lebensbedingungen erleiden, da wir uns nicht um unser Wohlbefinden und unsere
Gesundheit sorgen. Nun ist es für uns schwer vorstellbar, dass Menschen im 18.
Jahrhundert andere Hygienevorstellungen hatten, als wir in der Moderne.
Zu Zeiten der
Aufklärung, auch Epoche des Aufbruchs genannt, war es nicht üblich ein Bad zu
nehmen, geschweige denn seinen Körper zu waschen. Das wöchentliche Wechseln der
Kleidung genügte bereits, um die damalige Bedeutung der Sauberkeit zu
erreichen, deshalb vermieden selbst absolutistische Herrscher das regelmäßige
Baden. Doch das war bei weitem nicht alles, was in Verbindung mit der
Unreinheit in den Höfen, Handelsmärkten und Plätzen stand. Bis ins 19.
Jahrhundert wurden sogar die Inhalte der Nachttöpfe aus den Fenstern direkt auf
die Gehwege gekippt, weil es keine Toiletten gab, wie wir sie aus dem 21.
Jahrhundert kennen. Außerdem war es normal, dass ganze Viehherden durch die Straßen
getrieben wurden. Schweiß und Dreck von harter Arbeit, wie auch vom
verunreinigten Umfeld, blieben an Körper und Kleidung. Wie bereits erwähnt
hielt man es nicht für nötig sich zu waschen, denn unter „sauber sein“ verstand
man lediglich und bestenfalls das Wechseln der Garderobe. Doch nicht nur
damalige Hygienevorstellungen sorgten für unangenehme Gerüche, die sich in
jeder Gasse, wie auch in jeder Räumlichkeit befanden. Das 18. Jahrhundert wurde
von der seinerzeit herrschenden Ständegesellschaft geprägt, in der die
einfachen Bauern, wie auch das Bürgertum über kaum eigenen Besitz verfügten.
Hinzukommend waren sie ungebildet und hatten keine Möglichkeiten sich zu bilden
oder unabhängig von den Adeligen zu werden, da sie weder lesen noch schreiben
konnten und über kein Recht verfügten. Der Klerus wie auch der Adel waren die
Wohlhabenden, die über Nahrung und reines Wasser verfügten, während die Bauern
gerade mal so viel bekamen oder behalten durften, dass sie noch überleben
konnten. Daraus lässt sich schließen, dass sich die Mehrheit der Menschen keine
regelmäßige Körperhygiene hätte leisten können, selbst wenn eine moderne
Hygienevorstellung in den Köpfen der Bürger existent gewesen wäre. Doch das
Waschen wurde nicht mal in Erwägung gezogen und galt für das gesamte Volk, egal
welcher Hierarchiestufe man zugehörig war, als unüblich. Denn Menschen hatten
Angst vor gesundheitsschädlichen Folgen bei Verwendung von warmem Wasser. Man
ist davon ausgegangen, dass das Wasser beim Eindringen in die Poren unvorhersehbare
Wirkungen auslöst. Doch ab 1760 fand kaltes Wasser plötzlich häufigeren
Gebrauch und galt als besonders abhärtend. Warmes Wasser hingegen galt als
„Verweichlichung“, weshalb man es kaum verwendete. Ebenfalls wurde der Gebrauch
von Kosmetika, wie zum Beispiel Parfüm oder Puder abgelehnt, da sie das äußere
Erscheinungsbild „unecht“ machten. Um gepflegt zu erscheinen trug man lieber
weiße Kleidung, da es ein Symbol der Reinlichkeit war. Dieses
Reinlichkeitssymbol galt aber noch nicht als Verbesserung. Erst weit nach 1800
wurden Maßnahmen zum Vertreiben des Gestanks auf Straßen und in den
Räumlichkeiten unternommen. Diese schlagartige Veränderung hat ihre Ursache in
Reformen und der französischen Revolution. Die Ziele der französischen
Revolution waren Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Menschen fingen im
Zeitalter der Aufklärung an zu hinterfragen, selbstständig zu denken und sich
von Autoritäten zu emanzipieren. Infolgedessen strebte man auch Veränderungen
in der Hygiene an. Man wusste nun, dass das Sauberhalten unseres Körpers und
Umfelds zum Erhalt der Gesundheit beiträgt. Man orientierte sich weniger an
Autoritäten und entschied nach eigenem Verstand und Denken selbst über
Hygieneentscheidungen. Dennoch war dies erst der Anfang einer großen Bewegung
in Richtung Moderne, in der die Vernunft und das Wissen als oberste Instanz
angesehen werden sollte.
Im Vergleich
zu unserer heutigen Lebenswelt ist das Leben in der Aufklärungszeit ziemlich
unhygienisch gewesen. Unter Hygiene verstand man damals bestenfalls nur das
wöchentliche Wechseln der Kleidung und das Tragen von heller Kleidung. Die im
18. Jahrhundert herrschenden Hygienevorstellungen sind kaum mehr mit den
heutigen Hygienevorstellungen zu vergleichen. Durch den Erhalt von Wissen und
Bildung wissen wir, dass Hygiene zur Gesundheit beiträgt und viel mit unserem
äußeren Erscheinungsbild machen kann. Das heißt, dass die Leitideen der
Aufklärung im Bereich der Hygiene größtenteils realisiert sind, da
Veränderungen durch Informationszuwachs erfolgten und wir somit mehr
Möglichkeiten haben uns frei zu entfalten. Angesichts des weit verbreiteten materiellen
Wohlstands kann heute jeder individuell und selbst die Düfte seiner
Pflegeprodukte bestimmen, während damals nicht mal jeder genug Wasser hatte, um
seinen Körper zu reinigen. Somit wurde sogar eine der Kernideen der Aufklärung
realisiert und zwar die Idee, dass jeder dieselben Rechte hat, gekoppelt an die
Würde des Menschen, also in dem Fall das Recht auf reines Wasser. Wie auch das
Recht auf Wissen, Bildung und selbstständiges Denken.
Quellen: Sander,
Ferdinand: Körperhygiene im 18. Jahrhundert. Eine Sauciere die unter dem Rock
verschwindet. Rhein-Main. 22.07.2014 [https://m.faz.net/aktuell/rhein-main/koerperhygiene-im-18-jahrhundert-eine-sauciere-die-unter-dem-rock-verschwindet-13057751.html]
Stand:27.01.2020
k.A. Geschichte der Hygiene. Ein Kind wurde frühestens mit sieben Jahren gebadet. Süddeutsche Zeitung. 09.09.2012 [https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/geschichte-der-hygiene-von-der-deutungshoheit-ueber-die-hautpore-1.1462374-3] Stand: 25.01.2020
k.A. Geschichte der Hygiene. Ein Kind wurde frühestens mit sieben Jahren gebadet. Süddeutsche Zeitung. 09.09.2012 [https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/geschichte-der-hygiene-von-der-deutungshoheit-ueber-die-hautpore-1.1462374-3] Stand: 25.01.2020
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