Basiswissen: Linguistischer Relativismus und Universalismus (Justin)
Wenn wir uns Gedanken über bestimmte
Dinge machen, passiert es oft, dass wir das dazugehörige Wort, Bild oder die
Zahl vor Augen haben. Aber bedeutet das etwa, dass Sprache und Denken in
einem zwingenden Verhältnis zueinander stehen? Und wenn ja, in
welchem?
Auf diese Frage gibt es bis heute noch keine eindeutige,
wissenschaftlich finale Antwort. Denn seit Jahrhunderten streiten sich
Philosophen darüber, ob wir ohne Worte überhaupt denken können. Die Einen sagen, dass wir Sprache nur dazu brauchen, um unsere Gedanken auch
ausdrücken zu können. Die Anderen
behaupten, dass wir Sprache brauchen, um Gedanken überhaupt erst denken zu können.
So gibt es insbesondere seit den sechziger und siebziger Jahren zwei
unterschiedliche Positionen zum Zusammenhang von Sprache mit Gedanken, nämlich die Relativisten und die Universalisten.
Die Relativisten sind der Meinung, dass Sprachen ganz spezielle
Eigenarten haben und damit das Denken auf unterschiedliche Art und Weise
beeinflussen. Sie sind sich sicher, dass, wie jemand
denkt, vom Wortschatz und der Grammatik seiner Muttersprache beeinflusst
wird. Der Begriff Relativist beinhaltet das Wort "relativ". Es
bedeutet Abhängigkeit und steht hierbei für das Denken, welches abhängig von
der Sprache ist.
Bei den Universalisten ist man der Auffassung, dass uns Menschen
die Sprache bereits angeboren ist. Sie sind fest der Überzeugung, dass alle
Menschen ausgehend von einer Universalgrammatik gleich
denken. Sie sprechen hierbei zum Beispiel von "Mentalese".
Für die Universalisten ist "Mentalesisch" die Sprache der Gedanken.
Das Wort Universalist enthält den Begriff "universal". Er bedeutet
umfassend und steht hierbei für die Sprache, welche als Form der "Meta-Sprache" all unseren heutigen
Sprachen vorgelagert ist.
Sowohl der Relativismus als auch der Universalismus haben bekannte
Vertreter. Die beiden Sprachwissenschaftler Benjamin Lee Whorf und Edward Sapir
sind Vertreter des Relativismus. Noam Chomsky und Steven Pinker hingegen
vertreten den Universalismus. Die Vertreter beider Positionen begründen ihre
Sichtweise auf verschiedene Art und Weise. Benjamin Lee Whorf und sein Lehrer Edward Sapir haben im Jahr 1963 das "linguistische
Relativitätsprinzip" veröffentlicht. Dieses sagt aus,
dass das Denken und damit die Wahrnehmung der Wirklichkeit
sich mit den Sprachen verändern. Sie
begründen das mit dem Aspekt der Vergleichsmöglichkeit von unterschiedlichen
Sprachen und ihrer Grammatik. Dem linguistischen Relativitätsprinzip zu folge,
werden die Eindrücke, die wir von unserer Umgebung erhalten, in Form von
Sprache in unserem Geist organisiert. Wie wir diese Eindrücke aber organisieren
und welche Bedeutungen wir ihnen zuschreiben, ist durch ein gesellschaftlich
bedingtes Abkommen festgelegt, das uns dazu befähigt miteinander zu sprechen.
Da es auf dieser Welt aber viele unterschiedliche Gesellschaften gibt,
die ihre eigene Sprache besitzen, ist es durchaus möglich, dass sie etwa für die gleichen
physikalischen Sachverhalte eine andere Deutung haben
und somit zu einem anderen Weltbild gelangen, welches sie mit der Wirklichkeit assoziieren. Weiterführend bedeutet das, dass
kein Mensch die Freiheit besitzt, die Wirklichkeit mit völliger Unabhängigkeit, und damit objektiv, zu beschreiben, weil er auf bestimmte sprachlich manifestierte Interpretationsweisen
beschränkt ist, mit denen in seiner
Gesellschaft die Wirklichkeit beschrieben wird.
Ganz anders hingegen sehen das die Vertreter der Universalisten. Steven
Pinker stellte 1998 in seinem Buch die Hypothese auf, dass Sprache eine Art Instinkt
beim Menschen ist. Sie ist von Natur aus angeboren und stellt einen Teil der
biologischen Ausstattung unseres Gehirns dar. Demnach ist Sprache eine hoch komplexe
Fertigkeit des Menschen, die sich ohne Anstrengung bei Kindern spontan
entwickelt. Außerdem ist sie bei jedem Menschen gleich. Das ist der
Grund, warum alle Menschen, wenn sie auch nicht die
gleiche Sprache sprechen, derselben Denkgrundlage folgen.Pinker steht damit in der Tradition des Sprachwissenschaftlers Noam Chomsky,
der das Modell einer uns angeborenen Universalgrammatik propagiert. Laut Chomsky ordnen wir neu erlernte Worte nach einem
grammatischen Schema, durch ein angeborenes Satzbildungsprogramm an die grammatikalisch korrekten Stellen. Das bedeutet, dass wie Menschen
durch unsere angeborene Universalgrammatik nicht unterschiedlich über Eindrücke
aus unserer Umwelt denken können und somit auch kein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen der individuell
erlernten Sprache (z.B. Deutsch, Englisch, Türkisch…) und dem
Denken über die Wirklichkeit besteht.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen