Die Linguisten können sich nicht riechen!

Die Linguisten können sich nicht riechen! - 

Wie Gerüche, Sprache und das Denken zusammenhängen


(Ayman und Mohamad, LK Wengler)


Seit mittlerweile mehreren Jahrhunderten streiten sich Linguisten, wie und ob Sprache und Denken zusammenhängen. Aus diesem Streit haben sich primär zwei Positionen herauskristallisiert. Die einen, die Universalisten, sind der Ansicht, dass jeder Mensch von Geburt an dasselbe Verständnis von Sprache und Grammatik hat. Die eigentliche Muttersprache ist demnach die zweite Sprache die wir, als Mensch erlernen. Die erste Sprache, die uns laut den Universalisten angeboren ist, ist die Mentalese, die Universalgrammatik. Die anderen, die Relativisten sind der Ansicht, dass die Sprache, die ein Mensch spricht, dessen Denken und Gedanken beeinflusst, demnach bedeutet, wie Wittgenstein sagte, die Grenze meiner Sprache die Grenze meiner Welt. Unterstützt wurde diese Sichtweise von der mittlerweile allerdings stark kritisierten Sapir-Whorf-Hypothese. Diese besagt beispielsweise, dass nordamerikanische Ureinwohner dadurch, dass sie mehr Wörter für Schnee in ihren Wortschatz integriert haben als Individuen in zum Beispiel westlichen Ländern, auch eine andere Sichtweise auf Schnee haben.

Einen interessanten neuen Denkanstoß zu solcherlei Überlegungen gibt ein in Nordmalaysia ansässiges Volk, die Jahai. Das Volk der Jahai hat Begriffe für Gerüche, die hierzulande mit Farbbezeichnungen vergleichbar wären. Dazu lässt sich die Frage stellen, inwiefern die Positionen des Relativismus und des Universalismus angesichts dieser jüngeren Erkenntnisse der empirischen Sprachforschung, mit Hauptaugenmerk auf den Geruchssinn, heute noch tragfähig sind.

Die Jahai haben in etwa ein Dutzend Wörter, die die verschiedensten Arten von Gerüchen beschreiben und unterscheiden. Anders als hierzulande enthalten diese Beschreibungen keine positiven oder negativen Wertungen, wie zum Beispiel „stinkend“ oder „stechend“, oder beschreiben einen Geruch anhand anderer uns bekannter Quellen, wie zum Beispiel süß, rauchig usw. Die Wörter beschreiben Gerüche in viel abstrakteren Kategorien, wie hierzulande etwa Farbbezeichnungen.  Bei uns wird die Farbe Orange zum Beispiel als Gemeinsamkeit von Orangen, Karotten und Multivitaminsaft erkannt. In ähnlicher Weise bezeichnen und beschreiben die Jahai Gegenstände mit ähnlicher und selber Geruchsqualität. Die Jahai benutzen diese geruchsbeschreibenden Wörter in ihrem allgemeinen Sprachgebrauch, ähnlich oft wie wir, in westlichen Ländern, die Begrifflichkeit der Farben benutzen.
Da die Jahai zum Beispiel Begriffe haben, die den Geruch von Gegenständen beschreiben, die Raubtiere wie zum Beispiel Tiger oder Leoparden anlocken, wird dieser Geruch von den Jahai als gefährlich wahrgenommen, von aus westlichen Ländern stammenden Individuen wird dieser Geruch hingegen ohne jegliche Assoziation aufgenommen. Bedeutet das nun, dass die Jahai befähigt sind ein größeres Spektrum an Gerüchen wahrzunehmen, da ihr Wortschatz größer ist, oder assoziieren sie die Gerüche nur mit anderen Gedanken und haben für diese entsprechende Wörter erfunden?
Nach relativistischer Ansicht sind die Jahai befähigt ein größeres Spektrum an Gerüchen wahrzunehmen, da ihr Wortschatz in Bezug auf Gerüche weitreichender konstruiert ist. Demnach beeinflusst der diesbezügliche Wortschatz der Jahai nicht nur ihr Denken sondern auch ihre Wahrnehmung. Wir wären auf Grundlage dieser Sicht nicht dazu in der Lage derartige Geruchsfeinheiten bewusst wahrzunehmen, da wir die entsprechenden Begriffe zur Unterscheidung der Gerüche in unserem Wortschatz nicht integriert haben.
Nach der universalistischen Auffassung hingegen würde man sagen müssen, dass aufgrund der kulturellen Wichtigkeit von Gerüchen bei den Jahai die entsprechenden Termini für den Gebrauch dieser entwickelt wurden. Riecht ein Gegenstand nun zum Beispiel „gefährlich“ und man wird häufig mit diesem konfrontiert, so entwickelt eine Sprachgemeinschaft automatisch Wörter um diesen Zustand zu beschreiben. Die Wörter geben den Gedanken also nur eine Gestalt und sind anders als bei der relativistischen Sichtweise nicht für das eigentliche Denken verantwortlich.

Dennoch ist es wichtig sich vor Augen zu führen, dass auch in unserer Kultur Gerüche eine wichtige Rolle spielen, das beweisen zum Beispiel Sprichwörter wie „das stinkt doch zum Himmel“ und „die können sich nicht riechen“ oder literarische Werke wie „das Parfum“ von Patrick Süskind.

Abschließend lässt sich nicht sicher sagen, inwiefern die tatsächlichen Geruchswahrnehmungen der Jahai sich von unseren unterscheiden und ob ein möglicher Wahrnehmungsunterschied mit ihrer im Bereich der geruchsbeschreibenden Wörter weit entwickelten Sprache in einen Zusammenhang zu bringen ist. Ob die Ansicht der Universalisten oder der Relativisten richtig ist, lässt sich nur aus diesen Untersuchungen heraus nicht beantworten. Klar ist nur, dass die Jahai mehr Wörter für Gerüche in ihrem Vokabular haben und Gerüche nach anderen Kriterien beschreiben. Sowohl die universalistische als auch die relativistische Theorie haben logisch nachvollziehbare Ansätze, die sich als richtig herausstellen könnten, jedoch keine endgültigen Beweise darstellen oder die jeweils andere Theorie widerlegen könnten.

Kommentare

  1. Irendwie bringt mich das Ganze durcheinander. Die Jahai verwenden Farbwörte wie Orange, um einen Geruch zu beschreiben? Aber wie beschreiben sie dann die Farben einer Blume zum Beispiel? Verwenden sie dann dafür andere Wörter?

    Man kann sich gar nicht richtig vorstellen, dass es in den Sprachen so viele Unterschiede gibt.

    Auch euren Blogartieken finde ich spannend geschrieben und ihr habt viele gute Vormulierungen verwendet. Euer Ende ist vor allem nochmal gut gelungen, da ihr darauf hinweist, dass beide Theorien, also die der Universalisten und der Relativisten, nicht mit dem Zusammenhang von Gerüchen bewiesen werden können.
    Zudem hinterfragt man auch hier vieles und denkt darüber nach.

    Carla

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  2. Ich finde euren Artikel sehr kreativ. Die Beispiele sind treffend gewählt und nehmen immer wieder Bezug zu alltäglichen, bekannten Erfahrungen des Lesers, die er mit dem Text verbinden kann, um ihn leichter zu verstehen. Besonders passend finde ich da den Vergleich mit den unterschiedlichen Assoziationen der Farbe Orange. Um auch ein Kritikpunkt zu nennen, sei gesagt, dass mir der Übergang (Absatz 2) von der Vorstellung des Jahai-Volkes zur Sprachphilosophie nicht ganz schlüssig erscheint.
    Alles in allem aber trotzdem ein gelungener Artikel.

    Justin

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  3. Meiner Meinung nach ist euer ist euer Artikel vom sprachlichen auf einem sehr hohen Niveau, was ich sehr positiv sehe. Außerdem finde ich gut wie ihr den Relativismus und Universalismus erklärt und beschreibt. Der Blogartikel ist wie ich finde spannend gestaltet. Es hat mich sehr Interessiert wie Gerüche, Sprache und das denken Zusammenhängen.

    Ahmed

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